NEU "UNFILTERED" - Was ist das?

NEU

KURZFORM:

Eigentlich ist es ganz einfach. Alle "Unfiltered" Weine sind spontan mit ihren natürlichen Hefen vergoren. Die Weine reifen sehr lange auf ihrem Hefedepot und werden genau so gefüllt. Ohne Hilfsmittel und Filtration! Ganz ohne? Bis auf ein klein wenig Schwefel, kurz vor der Füllung, keine Hilfsstoffe oder Zusätze. Durch den Verzicht auf Filtration und den Erhalt einer leichten Trübung braucht der Wein viel weniger Schwefel, als es gemeinhin bei klaren Weinen notwendig ist. Vor allem aber sind die Weine vollständig vergoren und haben keine Restsüße mehr. Auch deshalb sind so geringe Schwefelgaben möglich. 

Die ganze Art der Weinbereitung ändert sich durch diese Art der Produktion. Denn jetzt kann ich als Winzer nur noch mit den Trauben selbst einen trinkfreudigen und lebensbejahenden Wein erzeugen. Eine tolle Herausforderung seit den Anfängen 2020 und für mich die größte Freude, euch als meine Kunden mit auf diese spannende Weinreise zu nehmen. 

Ich wünsche viel Spaß auf dieser Reise und dabei Wein von einer anderen Seite zu erleben. 

In der folgenden langen Version versuche ich auf die meisten Fragen zur Weinbereitung einzugehen, die mich beschäftigt haben. 

DIE TRAUBENERZEUGUNG:

Im Weinberg gibt es zahlreiche Hilfsstoffe, um gesunde Trauben zu erzeugen. Im Bio-Weinbau ist das vor allem Kupfer und Schwefel, zusätzlich gibt es bei der konventionellen Weinbereitung tiefenwirksame Mittel, die den Aufwand und die Menge der Mittel reduzieren. Beide Systeme haben ihre Vorteile und ihre Nachteile, auf die ich hier nicht näher eingehen möchte. Für mich und die Habitat Weine eG kommt jetzt die Biozertifizierung. Wir befinden uns aktuell im ersten Umstellungsjahr. Die Gründe sind leicht erklärt. Ich fühle mich dem Bio-Gedanken viel näher als dem, was man gemeinhin unter konventioneller Produktion versteht. Seit 2011 habe ich Schritt für Schritt die Weinberge umgestellt. Die jetzige Zertifizierung ist kein großer Sprung mehr. Die Weinberge zeigen schon seit ein paar Jahren die vielen positiven Effekte der Umstellung. Ebenso muss ich in manchen Jahren mit deutlich weniger Trauben zurechtkommen. Mit der Integration von Bäumen in die Kulturlandschaft gehen wir den nächsten großen Schritt. Denn jeder Schädling und jeder Pilz freut sich über unsere entstandenen Rebenmeere. Mit dem Aufbrechen der Monokultur wird der Druck durch Pilze und Schädlinge von alleine sinken. 

In der Traubenverarbeitung wurde bis 2011 viel gepumpt. Das habe ich frühzeitig auf Kippen und Schütten umgestellt. Im gesamten Weinkeller wird überhaupt nur noch sehr wenig der Wein bewegt und gepumpt. Eine Umstellung, die man schon lange schmeckt. 

DIE WEINERZEUGUNG IM WEINKELLER

Auch im Weinkeller erleichtern Reinzuchthefen, Hefenährstoffe, Enzyme, Aktivkohle und viele weitere Hilfsstoffe die Weinbereitung. Viele davon gibt es Bio-Zertifiziert sowie konventionell, einige sind bei Bio aber auch verboten. Alle gemeinsam haben sie das Ziel, den Wein für ein großes Publikum zugänglicher zu machen, Ecken und Kanten zu glätten, um allgemein mehr Gefälligkeit zu schaffen. Dazu kommt das Herausnehmen von natürlichem Eiweiß durch Bentonit, um langfristig einen klaren Wein zu erhalten. Damit kein Weinstein ausfällt, vor allem bei jungen Füllungen kürzer als ein Jahr Fassreife, werden Zusätze wie CMC oder Metaweinsäure, aber auch Gummiarabikum verwendet. Die Meisten Stoffe werden durch Sedimentation und eine starke Filtration nach der Behandlung wieder aus dem Wein entfernt.

Alle soweit gute fachliche Praxis, um den Wein zu erzeugen, den man einfach kennt und täglich gerne trinkt. Im Verkauf und bei Verkostungen werden so erzeugte Weine belohnt und sie machen schätzungsweise 99,9% des Weinmarktes aus. Auch nicht ganz perfekte Trauben lassen sich mit den vielen Helfern zu einem trinkbaren und fehlerfreien Wein verarbeiten. Das erklärt schon den Großteil der miesen Preise und der langweiligen Weine auf dem Markt.

Verzichtet man jetzt auf alle Hilfsmittel, erhöht sich vor allem das Risiko und die ganze Weinbereitung benötigt einfach viel mehr Zeit. Dafür entstehen Weine mit unglaublichem Tiefgang, die nicht einfach "unfiltriert" sind. Es entstehen kleine Kunstwerke, die einen Wein ganz anders erleben lassen. Jeder Wein ist viel lebendiger. Auf die Spitze treiben es "Naturweinwinzer:innen", die vollständig auch auf Schwefel verzichten, ausschließlich mit der Hand ernten und überhaupt die Grenzen des Verzichts und des nötigen Eingriffes in die Weinbereitung immer wieder neu ausloten. 

 

TRINKFLUSS SPASS MIT WEIN

Seit ich an den ersten "Unfiltered" Weinen arbeite und vermehrt sogar "Naturwein" trinke, hat sich mein Weingeschmack stark verändert. Ich trinke jetzt öfter Wein, aber in geringeren Mengen. Insgesamt ist mein Konsum deutlich gesunken, während meine Freude beim Weintrinken und in der Weinbereitung nie größer waren. Oft sind jetzt mehrere Flaschen offen, deren Entwicklung man über Tage und Wochen miterlebt. Man muss sich darauf einlassen und aufgeschlossen sein. Ich selbst kannte solche Weine bis vor wenigen Jahren nicht und war dementsprechend geschmacklich einfach anders geprägt. 

IST JETZT ALLES SCHLECHT WAS BISHER WAR?

Wer Wein direkt vom Winzer kauft, ist zumindest in der Regel mit gesunden und leckeren Trauben und den daraus gekelterten Weinen verwöhnt. Hier erklären sich miese Preise eher aus zu guter Traubenproduktion im Verhältnis zum Verkaufspreis und der Tatsache, dass viele einfach für ihr Weingut leben, anstatt von ihrem Weingut zu leben. Was auch erklärt warum viele kleine Weingüter keine Nachfolger finden. 

Ich selbst produziere auch noch weiterhin Weine, die filtriert und zumindest mit ein wenig Süße (trocken) mein Weingut zu dem gemacht haben, was es heute ist. Diese Weine sind weiterhin mit dem geringsten Eingriff und Hilfsmitteln produziert, die es eben braucht, um diese Stilistik zu erzeugen. Auch hier wird auf Zusätze verzichtet und zukünftig spontan mit eigenen Hefen vergoren. Allerdings steht am Ende eine Filtration, etwas Süße im trockenen Bereich und etwas mehr Schwefel, damit diese Weine eben auch stabil sind und nicht noch einmal auf der Flasche anfangen, Zucker in Alkohol zu wandeln. Daran ist überhaupt nichts auszusetzen und diese Weine trinke ich ebenfalls zu vielen Anlässen weiterhin gerne. Einige dieser Weine sind derzeit lediglich ausgetrunken und können im Frühjahr erst gefüllt werden. All meine Weine in der Vergangenheit, der Gegenwart und Zukunft werden mit bestem Gewissen und meinem Namen auf der Flasche produziert. 

WINZER SEIT 12 JAHREN - EIN REISEABSCHNITT

Weine zu erschaffen ist eine Reise, auf die ich mich mit 21 Jahren begeben habe. Mit jedem Jahrgang kommt neue Erfahrung hinzu und damit neue Möglichkeiten der Weinbereitung. Als ich vor meiner ersten Weinlese 2011 stand, war ich für die zahlreichen technischen Hilfsmittel, wie die alte Maischepumpe (Traubenpumpe), dankbar. Auch zahlreiche Hefen in getrockneter Form sowie allerlei Nährstoffe. Dies halfen mir, schon im ersten Jahr meines Schaffens leckere Weine zu erzeugen. Es ist ganz natürlich im Laufe seines Lebens mit immer mehr Erfahrung und Sicherheit auch immer weniger auf solche Hilfen angewiesen zu sein. Vor allem aber ist es eine Entscheidung mehr zu tun, als einfach nur leckeren Wein zu erzeugen. Es geht um eine zukunftsfähige Weinbereitung mit weniger Energie und vor allem neuen sozialen und ökologischen Maßstäben. Eine Weinbereitung, die im Einklang mit einem intakten Ökosystem steht und die es dem Land ermöglicht, uns als Bewohner und Konsumenten zu tragen. Es geht um Wein, der nicht dem Geschmack des großen Publikums folgt, sondern am Rand und überall in diesem Publikum Begehrlichkeiten weckt. Wein, der sich abhebt und uns neue Horizonte eröffnet. 

SCHLUSSWORT

Trinkt wein von Winzer:innen, die mit Leidenschaft und Liebe Wein erzeugen. Egal ob unfiltriert oder klar, ob klassisch oder Naturwein. Trinkt, was euch Spaß macht und kauft es im Weingut oder beim Fachhändler. Egal mit welcher Überzeugung ein Weingut produziert, wir leben in dem Land mit der am stärksten regulierten und kontrollierten Weinerzeugung. Niemand muss verunsichert sein und Angst haben. Außer wenn ihr Discounter-Wein kauft, dann werdet ihr sterben. 

Am Ende wird der schädlichste Stoff im Wein auf alle Zeit der Alkohol sein. Also vielleicht nehmen wir Winzer:innen und Weinliebhaber:innen uns zukünftig ein bisschen weniger ernst. Habt Spaß und eine gute Zeit! Natürlich nachhaltig, naturnah, Bio, Mega Bio, Co2 neutral, regenerativ, Akkusativ, Dativ.


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